Geschichte Dischingen

Das Glanzstück Dischingens ist die Pfarrkirche St. Johannes Baptist. In den Jahren 1769 – 1771 wurde sie mitten im Dorf an der Stelle gebaut, an der einst die alte Kirche stand, die von einem Friedhof umgeben war. Joseph Dossenberger der Jüngere, ein Schüler des großen Meisters Dominikus Zimmermann, ist der Erbauer. Er holte Thomas Schaidhauf als Stukkateur und den Italiener Gabriel Lucello als Freskenmaler. Die Pfarrkirche besitzt noch eine Orgel von Josef Höß, Ochsenhausen, das einzige noch spielbare Werk dieses berühmten Orgelbauers. Besonders erwähnenswert sind die wunderbare spätgotische Madonna, die zierlichen Tragfiguren und die herrlichen Rokokobeichtstühle im Chor. Die ganze Kirche ist ein Schmuckkästchen und wird nicht umsonst „Klein-Neresheim“ genannt. Sie ist vielleicht der bedeutendste Sakralbau, den Dossenberger hinterlassen hat.

 
Ein weiteres Kleinod ist die von Johann Willibald Schenk Graf v. Castell in der Vorstadt 1666 gebaute Nothelferkapelle, die 1706 nach einer Renovierung vom Augsburger Weihbischof Eustach Rudolf v. Westernach (seine Vorfahren waren von 1428 bis 1544 die Besitzer von Dischingen) wieder konsekriert (eingesegnt) wurde. Die letzte große Restaurierung war von 1972 – 1975. Besonders beachtenswert sind der prächtige Stuck und die kostbare Pietà aus dem 18. Jahrhundert. In der Mitte über den Emporen ist ein Ortsbild von 1758 mit der früheren Pfarrkirche, die einzige Ansichtsüberlieferung, die existiert. Daneben sieht man ein Fresko von Papst Alexander VII., der die Wallfahrtskirche 1667 bestätigte. Mitten im Ort verbreitert sich die Straße zum Marktplatz. Hier steht das Rathaus, ein Fachwerkhaus mit einem Türmchen. Das Glöcklein läutete früher jeden Samstag um ½ 12 Uhr zum Pfercheverkauf für eine Woche. Um die Wende vom 19. in das 20. Jahrhundert weideten ca. 1.000 Schafe auf der Weidefläche von Dischingen, die als beste weit und breit galt. Sehenswert ist das Heimatmuseum in der Hauptstraße. Es wurde 1966 in mühevoller Arbeit von dem Dischinger Arzt Dr. Horst Moeferdt eingerichtet und ist sehr reichhaltig. Der Besucher kann hier frühgeschichtliche Funde bewundern und erfährt viel über das bäuerliche und handwerkliche Leben auf dem Härtsfeld.

Zur Gemeinde Dischingen gehört, ungefähr eine Wegstunde entfernt auf einem Hochplatteau mitten im Wald gelegen, der Hochstatter Hof. Bis 1803 im Besitz der Abtei Neresheim ist er seitdem eine fürstliche Domäne mit einem schlossartigen, im Rokokostil erbauten Gutshaus. Die schönen Stallungen, in den einmal viel Vieh stand, sind leer. Es wird auf den großen Feldern nunmehr Getreide angebaut. Der Golfclub Hochstatt Ries-Härtsfeld betreibt dort eine sehr anspruchsvolle 18-Loch-Anlage. Das Landschaftsbild hat sich infolge der geführten Flurbereinigung und der Aufforstung von Ödflächen etwas gewandelt. Die urplötzlich hereinbrechenden Hochwasserkatastrophen sind durch Flusskorrekturen, Bachverdolungen, Brückenbauten, Rückhaltebecken und nicht zuletzt durch die Anlegung des Härtsfeldsees in 1972 gebannt. Durch die tolle Lage des 11,5 Hektar großen Sees ist dieser zu einem sehr beliebten Ziel weit über die Dischinger Grenzen hinaus geworden.

Geschichtliche Entwicklung Dischingens

Im Vergleich zum übrigen Kreisgebiet nimmt die Großgemeinde Dischingen in ihrer geschichtlichen Entwicklung eine Sonderstellung ein, da sie nicht zum alten Herzogtum Württemberg gehörte. Im Hochmittelalter war das Gebiet um Dischingen ein Teil der Grafschaft Dillingen. An festen Plätzen, um die sich später dann die Ortschaften bildeten, finden wir im Norden die Burg Katzenstein, weiter südlich von Dischingen mindestens drei Burgen, dann Ballmertshofen, Dunstelkingen mit einem Wasserschloss, Eglingen und schließlich bei Demmingen erst die „Alte Bürg“, später Duttenstein. Die Ortsherren sind nur durch wenige Namen bezeugt. Sie waren wohl größtenteils Ministerialen der Dillinger. Nach Aussterben des Dillinger Grafenhauses 1258 wurden die bayerischen Wittelsbacher mit der Grafschaft belehnt. Doch nun erwuchs den neuen Herren im Norden ein kräftiger Gegner, die Grafen von Oettingen, denen bemerkbare Einbrüche in ehemals dillingisches Gebiet gelangen. Gleichzeitig setzten sich die Herren von Hürnheim, doch beanspruchte Oettingen wiederum über diese die hohe Gerichtsbarkeit.

Das Jahr 1505 brachte dann eine bedeutsame Veränderung. Infolge des Landshuter Erbfolgekrieges wurde das Fürstentum Pfalz-Neuburg gebildet, das als Rechtsnachfolger der Grafschaft Dillingen auch unser Gebiet umfasste. An diese Zeit erinnert der immer noch gebräuchliche Name „Junge Pfalz“ für das Gebiet um Dischingen. Mit dem nördlichen Nachbarn Oettingen kam es in der Folgezeit laufend zu Auseinandersetzungen um die Landeshoheit über die einzelnen Ortschaften.


Schwierig wurde die Rechtslage dadurch, dass es verschiedenen Ortsherren gelungen war – wenn auch nur vorübergehende – die hohe Gerichtsbarkeit zu erlangen. Diese unsicheren rechtlichen Verhältnisse bedingten, dass so mancher Besitzer einer kleinen Herrschaft seines Lebens nicht mehr froh wurde. Aus diesem Grunde konnte sich ein neuer Herr, die Fürsten von Taxis, festsetzen. 1723 brachten sie Eglingen, 1734 Dischingen, 1735 Demmingen, 1741 Dorf Trugenhofen, 1749 Ballmertshofen und abschließend 1786 einen Teil von Dunstelkingen in ihren Besitz. In hartnäckigen Verhandlungen mit Pfalz-Neuburg, die sich von 1768 bis 1773 hinzogen, gelang es ihnen, die Landeshoheit über diese Gebiet zu erlangen und damit eine gewisse Stabilisierung der politischen Verhältnisse zu erreichen. Es wurde dadurch auch eine Grenze gefestigt, die das Gebiet der heutigen Großgemeinde in zwei Herrschaftsgebiete teilte und deren Entstehung bis ins 13. Jahrhundert zurückreichte.
Nördlich dieser Grenze gehörten zum Herrschaftsgebiet der Oettinger Katzenstein, Frickingen, Iggenhausen sowie der Großteil von Dunstelkingen. Südlich davon gehörten zu Pfalz-Neuburg als Rechtsnachfolger der Dillinger und später zu Taxis Dischingen mit Burg Trugenhofen, Dorf Trugenhofen, Ballmertshofen, Eglingen und Demmingen. Das Ende des alten Reiches 1006 brachte auch das Ende der Souveränität dieser Herrschaften. Auf Grund der Rheinbundakte fielen sowohl die oettingenischen als auch die taxis’schen Gebiete an Bayern und schließlich 1810 an das Königreich Württemberg.
Die Muttergemeinde Dischingen, 463 Meter über Normal Null, mit rund 1.650 Einwohnern und 1.774 Hektar Markungsfläche, ist schon 1049 urkundlich erwähnt. Ein Angehöriger der Familie der Grafen von Dillingen, Mangold von wird, hatte Güter im Ort und übereignete diese unter anderem dem neuen Kloster Heiligkreuz in Donauwörth.
Adela von Vohburg ehelichte den Schwabenherzog Friedrich, den späteren Kaiser Friedrich Barbarossa. Als Mitgift erscheinen im Jahre 1147 Besitzungen in Dischingen. Die Klöster Lorch, Kaisheim und Neresheim können im 13. Jahrhundert Besitzungen in unserer Gemeinde nachweisen. Ein Heinrich von Tischingen war von 1228 – 1232 Bischof von Eichstätt. Vermutlich stammte er aus dem adligen Geschlecht der Herren von Tischingen, die einst die Burg auf dem Eisbühl bewohnten (heute noch ist ein Ringgraben erhalten).
Seit 1232 saßen sie als Reichsministerialen auf der nahe beim Ort gelegenen Burg Trugenhofen.

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Durch Heirat mit einer Dillinger Grafentochter kam Graf Ulrich von Helfenstein auch zu Besitzungen in Dischingen. Diese dillingisch-helfensteinischen Güter gingen 1334 an die Herren von Hürnheim-Katzenstein über. Seit 1330 waren die Grafen von Oettingen die Besitzer des Ortes und der Burg und nahmen das Gericht in Dischingen für sich in Anspruch. Daraus entstehende Streitigkeiten bewogen Herdegen von Katzenstein, seine Güter in Dischingen 1354 an die Oettinger abzutreten. Bereits elf Jahre später, 1365 kaufte er nicht nur seine Güter zurück, sondern auch die Besitzungen der Grafen von Oettingen im Ort samt der Burg Trugenhofen. Von diesem Zeitpunkt an waren in den kommenden Jahrhunderten die jeweiligen Eigentümer der Burg auch die Besitzer von Dischingen die gleichen.

Herdegen von Hürnheim-Katzenstein war es, der für seinen Ort Dischingen 1366 das Marktrecht und die hohe Gerichtsbarkeit (Stock und Galgen) von Kaiser Karl IV. verliehen bekam. Schon mit Herdegens Enkel starb die Familie 1428 im Mannesstamm aus. Die Erbin, Gertrud von Weineck, verkaufte an Hans von Westernach und Fritz von Zipplingen. Letzterer übereignete seine Güter dem Eytel von Westernach. Obwohl die Westernachs die Besitzer von Dischingen waren, musste sich Peter von Westernach den Ansprüchen des Fürstentums Pfalz-Neuburg auf Landeshoheit beugen und mit sämtlichen Untertanen huldigen. Auch die Herren von Leonrodt, die 1544 Dischingen erbten, waren verpflichtet, den neuburgischen Landtag zu besuchen und dorthin Steuern zu zahlen. Der Pfalzgraf Ottehinrich verlangte 1556 vom damaligen Ortsherrn Philipp von Leonrodt die Einfrührung der Reformation, doch bereits 1613 kehrten die Dischinger zum katholischen Glauben zurück. Die Regierungszeit der Herren von Leonrodt war von den Schrecken des 30jährigen Krieges sehr überschattet. Johann Georg von Leonrodt hatte zwar 1632 vom Schwedenkönig Gustav Adolf einen Schutzbrief für seine Dörfer erwirkt, trotzdem zogen die Soldaten beider Kriegsparteien mordend, plündernd und brandschatzend durch Dischingen.


Das größte Unglück für unsere Gegend brachte die Schlacht bei Nördlingen im September 1634. Schon im Sommer hatten die Schweden unter Feldmarschall Horn ihr Hauptquartier bei der Knollenburg in Dischingen am Ortsausgang nach Ballmertshofen (hier wurden Skelettstücke und Waffen gefunden) aufgeschlagen. Nach der Schlacht aber ergoss sich der Strom der flüchtenden Massen und der siegreichen Verfolger über das gesamte Egautal. Dem großen Feuer konnte Dischingen mit knapper Not entgehen. Am Ende des Krieges berichtet die Chronik: „Der Viehbestand des ganzen Dorfes umfasste 2 Kühe, 1 Kalbel, 1 Ochsen, 1 Kalb, 2 Pferde, 1 Fohlen, 1 Schwein, 1 Geiß, 40 alte Schafe, 26 Lämmer.“

1663 heiratete die Witwe Georg Bennos von Leonrodt den Freiherrn Johann Wilibald Schenk von Castell, und nun wurde diese Familie die Eigentümerin des Marktfleckens Dischingen und der Burg Trugenhofen. Interessant ist es, dass diese Familie, aus der der berühmte „Malefizschenk“ stammte, auch Dischingen im heutigen Kreis Ehingen ihr eigen nannte. Um Verwechslungen vorzubeugen, wurde es nach dem Erwerb unseres Dischingen kurzerhand Oberdischingen genannt.


Auch unter den Schenken von Castell drang Kriegslärm in das stille Egautal. Truppendurchzüge und Einquartierungen ließen die Bewohner in der Zeit von 1701 – 1714 nicht zur Ruhe kommen. Die Grenzlage Dischingens zwischen den beiden feindlichen Nachbarn Bayern und Württemberg wurde ihnen im Spanischen Erbfolgekrieg zum Schicksal. Als 1734 der Kaufvertrag über Dischingen, Schloss Trugenhofen, die Obere Mühle, die Guldesmühle, Hochstatt und über je vier Höfe in Schrezheim und Iggenhausen zwischen dem Grafen Marquard Willibald Schenk von Castell und dem Fürsten Anselm von Taxis zustande kam, begann für den Marktflecken eine bessere Zeit. Fürst Anselm Franz von Taxis erkannte mit sicherem Blick die günstigen Voraussetzungen, die das Schloss Trugenhofen und das dazugehörige Gebiet seinen Bestrebungen bot, in Schwaben Fuß zu fassen. Durch den Ankauf der Herrschaften von Eglingen und Demmingen, der Dörfer Trugenhofen und Ballmertshofen sowie des Ortsteiles von Dunstelkingen war die „Herrschaft Markttischingen“ jetzt arrondiert. Nach jahrhundertelanger Zersplitterung gab es wieder nur einen Herrn, und auch die Reichsmittelbarkeit war wieder hergestellt. Dischingen wurde wieder Mittelpunkt eines größeren Gebietes.


Der Ort erholte sich wirtschaftlich, denn nun floss Geld in die Taschen der Dischinger. Der Schlossanbau brachte Arbeit, die Reichspoststelle wurde 1768 nach Dischingen verlegt, eine Oberamtsstelle eingerichtet, eine Apotheke genehmigt und ein Landarzt zugelassen. Auch die fürstlichen Gardegrenadiere, eine große Anzahl von Bediensteten und die mit der Post Reisenden ließen kleinere und größere Münzen liegen. Nicht umsonst heißt Dischingen heute noch im Volksmund „das faule Eck.“ Neidische Nachbarn haben dem Ort diesen Spottnamen gegeben, denn mancher Dischinger verdiente im Sommer, wenn der Fürst da war, so viel, dass er sich im Winter auf die faule Haut legen konnte. Ein Dischinger Spruch hieß: „Wenn mr no so lang hent, bis dr Fürscht wieder kömmt!“


In diese Blütezeit des Ortes unter dem regierenden Fürsten Alexander Ferdinand fiel 1769 auch der Bau der berühmten Dossenbergerkirche, dem heutigen Wahrzeichen von Dischingen, die ohne Hilfe des fürstlichen Hauses nicht hätte erstellt werden können. Die Kriege der Französischen Revolution und Napoleons brachten auch in Dischingen Einquartierungen, obwohl eine Residenz rechtlich davon verschont bleiben sollte. Der Mediatisierung (die Unterstellung einer bisher reichsunmittelbaren Herrschaft unter einem Landesherrn) entging das Haus Taxis nicht. Nach der Gründung des Rheinbundes wurde 1806 Dischingens Einwohner königlich bayerische Untertanen, allerdings nicht lange, denn schon 1810 trat Bayern die vor kurzem erworbenen Besitzungen an das Königreich Württemberg im Zuge einer Grenzbereinigung ab. Dischingen wurde dem Oberamt Neresheim unterstellt. 1819 genehmigte der König von Württemberg die Umbenennung des Schlosses Trugenhofen in Schloss Taxis. Das Marktrecht, von dem lange zeit hinweg kein Gebrauch gemacht wurde – die Zeitumstände ließen es nicht zu – wurde 1824 erneuert. Das 19. Jahrhundert hinterließ keine besonderen Spuren. Dischingen zehrte noch viele Jahrzehnte bis ins 20. Jahrhundert hinein von der kurzen Epoche als fürstliche Residenz. Die Industrialisierung und der wirtschaflichte Aufschwung gingen an dem Marktflecken vorüber, die Gemeinde wurde verhältnismäßig arm und unbedeutend. Die Einwohner verdienten sich ihr Geld mühsam als Bauern oder Handwerker, als Arbeiter im Wald oder in einem großen Sägewerk.


1901 – 1904 wurde die Härtsfeldbahn Aalen-Ballmertshofen gebaut. Man erhoffte sich dadurch eine wirtschaftliche Belebung des Härtsfeldes – gleichzeitig wollte man mit dem Bahnbau (Schmalspur) eine Anbindung dieses etwas abgelegenen Raumes an kulturelle Zentren vollziehen. Im März 1904 begann der Weiterbau der Bahn bis Dillingen. Die Härtsfeldbahn wurde in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts zunehmend unrentabel und musste ihren Betrieb 1972 einstellen. Daraufhin wurden sämtliche Gleisanlagen abgebaut. Erst in jüngerer Zeit haben die Mitglieder der Härtsfeldmuseumsbahn damit begonnen, die „Schättere“ wieder auf einem Teilstück der alten Strecke zwischen Neresheim und der Sägmühle fahren zu lassen. Vielleicht kann die Schättere auch einmal wieder in den sich noch weitestgehend im Originalzustand befindlichen Dischinger Bahnhof einfahren.
Aus dem Ersten Weltkrieg kehrten 23 Söhne der Gemeinde nicht mehr zurück. Einzelne große Brände und das jährlich wiederkehrende Hochwasser setzten der Bevölkerung sehr zu. Noch einmal musste Dischingen seine Zugehörigkeit in neuester Zeit ändern. 1938 wurde das Oberamt Neresheim aufgehoben und Dischingen mit seinen heutigen Teilorten dem Landkreis Heidenheim zugeordnet.


Große Not brachte der Zweite Weltkrieg in die Familien. 61 Gefallene und 19 Vermisste waren zu beklagen. Viele Menschen aus den durch Bomben gefährdeten Großstädten wurden auf das ruhige, unversehrte Härtsfeld evakuiert. Im Frühjahr 1945 wurde von aliierten Jagdbombern das Härtsfeldbähnle im Tiefflug in Dischingen angegriffen. Es gab fünf Tote und ca. 30 Verletzte. Wenige Tage vor dem Einmarsch der Amerikaner zogen unzählige zurückflutende Soldaten auf der Straße Neresheim – Dillingen durch Dischingen, um sich in Dillingen über die noch unbeschädigte Donaubrücke vor dem nachrückenden Feind abzusetzen.


Die Waffen-SS hatte sich in Schloss Duttenstein eingenistet, um mit den Wehrwölfen den Einmarsch der Amerikaner aufzuhalten. Die eilige gebauten Panzersperren an den Ortseingängen versuchten die Dischinger Frauen zu öffnen, bevor die Amerikaner kamen. Für die anrollenden Panzer war die verrammelte Holzbrücke über die Egau kein Hindernis, sie fuhren durch den seichten Fluss. Die SS hatte sich auf den Höhen verschanzt und eröffnete das Feuer. Die Amerikaner schossen zurück. Dabei gerieten drei Scheunen, eine in unmittelbarer Nähe der Kirche, in Brand. Rasch war der Ort besetzt. Einige Familien mussten ihre Häuser und Wohnungen verlassen, die von den Amerikanern beschlagnahmt wurden. In Schloss Taxis waren für mehrere Monate ein Stützpunkt und Kommandatur eingerichtet. Es wurde mit seinen sonst so gepflegten Anlagen in ein Heerlager verwandelt. Nach dem Abzug der Amerikaner mussten 248 Heimatvertriebene im Ort untergebracht werden.


Nun war die Wohnungsbeschaffung das wichtigste Problem. Von öffentlicher und privater Hand wurde die Initiative ergriffen. Die Gemeinde baute ein Zwölffamilienhaus. Die Bevölkerung des Mutterorts Dischingen wuchs ständig und hat sich seit 1939 (802 Einwohner) auf rund 1.870 mehr als verdoppelt.

Wappen Dischingen

In gespaltenem Schild vorne in Rot ein aufrechter goldener (gelber) Schlüssel mit linkshin gewendetem Bart, hinten in Gold (Gelb) drei liegende rote Messer übereinander (Spitzen zur Spaltung).

Flagge:
Gelb-Rot (Gold-Rot). Am 9. Februar 1957 verlieh das Innenministerium außer der Flagge auch das jetzige Wappen. Während die drei Messer dem Wappen des Melchior Tischinger von 1465 entnommen sind, gibt es für den Schlüssel keine stichhaltige Begründung.

Zeitzeugenbericht: Kriegsende und Angriff amerikanischer Flugzeuge auf das Härtsfeldbähnle am 19. Februar 1945 vom 13.08.2018

Georg Wörrle

Autor:
Friseurmeister Georg Wörrle, Schlossstraße 5, 89561 Dischingen

Zum Autor:
wird dieses Jahr 80 Jahre alt, am 23.8.1938 geboren in Dischingen und lebt zeitlebens hier, Friseurmeister in zweiter Generation, Vater von 2 Töchtern und Opa von vier Enkeln, verheiratet mit Edeltraud Wörrle, Mitglied und zum Teil langjährige Vorstandschaft in diversen Vereinen und zeitlebens aktiv (Schützenverein, VdK, Kneipp-Verein, Musikverein, Sportverein, Sportgruppe, Tennisclub, Golfclub Hochstatter Hof, Friseur-Innung Heidenheim, Intercoiffure Deutschland etc.)

„Heute möchte ich aus meinem Leben erzählen. Ich glaube, nicht mehr viele Bürger aus Dischingen können vom Bombenangriff auf die Härtsfeldbahn 1945 berichten.

Bevor ich über das Unglück in unserem Garten erzähle möchte ich noch kurz aus meiner Kindheit berichten. Ich war 7 Jahre alt und mein Papa war im Krieg -  und das schon seit vielen Jahren. Eigentlich habe ich ihn nur 2-mal richtig erlebt als er auf Heimaturlaub war. Erst im Herbst 1945 kam er nach drei Monaten Kriegsgefangenschaft mit dem Härtsfeldbähnle in Dischingen am Bahnhof an. Und er hatte Glück, denn sein Kollege stieg mit ihm aus und wurde sofort von Soldaten mit einem Panzer abgeführt da seine Papiere ungültig waren. Unglaublich beeindruckend war für mich 1947 als plötzlich mein Brüderchen zur Welt kam. Und wenn ich plötzlich sage, so meine ich plötzlich! Ich wurde kurz zu meiner Großmutter geschickt um etwas zu holen, kam heim – und da war es, das kleine Wesen – mitten in unserer Küche. Im Nachhinein wurde mir schon klar, dass es mir hätte auffallen können, dass meine Mutter sich körperlich verändert hatte. Niemand hatte mit mir während der vergangenen 9 Monate über ein bevorstehendes Ereignis gesprochen. Das war kein Wunder, da wir alle ständig beschäftigt waren, im Garten Kartoffeln zu pflanzen, Obst zu ernten und diverse Flüchtlinge zu beherbergen oder uns gegen Ende des Krieges bei Fliegeralarm im Keller zu verstecken. Es war in dieser Zeit gar nicht daran zu denken, in die Schule zu gehen. Alle Lehrer waren im Krieg gefallen. Das Schulhaus selbst war besetzt vom Roten Kreuz.

Aber ich schweife ab. An besagtem für mich unvergesslich grausamem Montag im Februar 1945, hatte ich um 14 Uhr bei Pfarrer Paul Kommunionsvorbereitung in der katholischen Kirche in Dischingen – eine andere gab es damals ja noch nicht. Ca. 9 Buben und 9 Mädchen waren wir, schlenderten bei wunderbarem Wetter durch das Dorf zur Kirche – ich erinnere mich genau: ein erstaunlich warmer Wintertag. Wir saßen in den Bänken und lauschten, was uns der Pfarrer erzählte, als wir alle zusammenzuckten. Ohrenbetäubender Lärm der Jagdflugzeuge über unseren Köpfen ließ uns die Angst in die Glieder fahren. In diesem Moment wusste keiner, was da draußen los war. Pfarrer Paul schickte uns sofort zum Schutz unter die Kirchenbänke. Zusammengekauert warteten wir, bis Ruhe eingekehrt war. Schnell machten wir uns alle auf den Heimweg ohne zu wissen was unser erwartet.

Ich bin die Hauptstraße - alias Beckengasse - entlanggerannt, vorbei an der Tankstelle hinauf zum Rössle und war neugierig, warum es aus unserem Garten so fest dampft und raucht. Sofort rannte ich ums Haus in unseren Garten, der an den Bahndamm grenzt. Und von weitem schon sah ich Menschen im Gras liegen. Schockiert sah ich eine Frau mit ganz dickem Bauch still am Boden liegen. Der Garten wirkte wie umgepflügt und die Bäume im unteren Teil des Gartens sahen aus, als hätte der Baumwart frisch alle Äste heruntergeschnitten. Neugierig wie ich als Kind war, musste ich mir das aus der Nähe ansehen.

Ohne zu zögern rannte ich quer durch all die jammernden oder reglos daliegenden Menschen zum Härtsfeldbähnle, das auf dem Bahndamm steckengeblieben war. Alle Scheiben waren zersplittert. Mutig betrat ich den ersten Waggon. Unglaublich, welches Bild des Grauens sich mir da bot. Ein Mann mit SS-Uniform saß auf der Bank. Viel später erfuhr ich, dass er in Duttenstein stationiert war und nun seinen Heimaturlaub antreten wollte. In Reistingen war er zugestiegen. Als ich an ihm vorbei ging sah ich, dass sein Gesicht völlig zerstört war und die abgerissene Gesichtshaut an einem Pfosten des Türrahmens klebte. Überall war Blut. Völlig unter Schock stolperte ich wieder nach draußen und ging zurück zum Elternhaus. Dort saß eine Frau auf der Kellertreppe und jammerte, dass ihr Fuss so wehtäte. Ich rannte in die Küche, holte ein Messer und half ihr den Stiefel aufzuschneiden. Die Frau hatte Granatsplitter im Fuß stecken und war blutüberströmt. Bald schon kamen viele Helfer und haben wieder Ordnung gemacht. Die Kranken wurden in den Kindergarten, dem heutigen Heimatmuseum, gebracht. Dort haben die katholischen Schwestern ihr Möglichstes getan, ihnen zu helfen. Insgesamt 7 Menschen kamen in unserem Garten ums Leben. Es gab 5 Schwerverletzte und 11 wurden leichter verletzt. Ja, noch lange und eigentlich bis heute, haben mich diese Schreckensbilder verfolgt. Im oberen Garten lagen einige Splitterbomben begraben, die zum Glück entschärft werden konnten.

Bei Gartenarbeiten finden wir bis heute immer wieder Granatsplitter. Ich kann meinen Enkelkindern heute noch die Einschussstellen in den Betonpfosten des Gartenzauns zeigen. Diese Pfosten werde ich als Mahnmal nie auswechseln. So eine schlimme Zeit darf nie wieder über unser Dorf hereinbrechen – wir müssen unser Bestes geben, unsere Kinder und Kindeskinder davor zu schützen.“